Unser Kirchengeläute

Alte Glocke aus dem Jahre 1490.

Das frühere Geläute, bestehend aus drei Glocken, tönte dünn, melancholisch und nicht sehr rein.

Die grosse Glocke aus dem Jahre 1490 trägt die Umschrift:

«maria – muoter – gottes – zel – behüt – was – diese – glog über – schel.» Glockengiesser: Hans Brisinger, Feldkirchen.

Die zweite Glocke – noch ein Jahr älter- ist beschriftet:

«Ich – bin – ein – gloegli – rein – und – bin – gesamlet – von – einer – gancere – gmein». Glockengiesser: unbekannt.

Die dritte Glocke geht auf das Jahr 1648 zurück, also auf das Ende des Dreissigjährigen Krieges. Auf ihrem Mantel stehen die Worte:

«LASSENDT UNS AUFF DEM BERG DES HERREN GEHN UND SEIN HEILLIGES WORDT ANHEREN.» Peter Conradt, Landammann und Kirchenvogt. Glockengiesser: Johannes Pricovey.

Der Aufgabenkreis der Glocken war früher weiter gespannt als heutzutage. Ausser für die früher überaus zahlreichen kirchlichen Erfordernisse, diente der Glockenton für die Tageseinteilung. Dabei hatte sich der Messmer nach der Sonne zu richten. Die Vorschriften lauteten Anno 1785:

«Die Predigt soll zu allen Zeiten gehalten werden in der Stunde so die Sonne im Dorfe kommt. Das gemeine [gemeinsame] Gebet in der Woche eine Stunde nach Untergang der Sonne, also wann sie bis zum Wald ob dem Dorfe kommt».

Auch das Mittagsläuten wurde nach dem Stand der Sonne gerichtet. Es war Mittag für die Andeerer, wenn die Strahlen der Sonne auf die «Platta da Miezgi» (Mittagsplatte) rechts von Pignia am Piz la Tschera Hang schienen. Eine derartige Tageseinteilung war je nach Jahreszeit grossen Schwankungen unterworfen, woran sich aber anscheinend niemand störte. Zu Mittag wird jedenfalls in unserem Dorfe um 11:30 und nicht um 11 Uhr wie anderswo geläutet. Auch diese Sonderheit soll mit dem Stand der Sonne im Zusammenhang stehen. Das Mittagsläuten, von Papst Kalixtus 1456 verordnet, verkündet den Dank für den Sieg der Ungarn über die Türken am 22. Juli 1456. Es ging als Türkengeläut in die Geschichte ein.

Das Abendläuten wurde von Papst Johannes XXII (1316-1334) eingeführt und auch nach der Reformation beibehalten. In Schams blieb sogar die ursprüngliche Bezeichnung «Ova Mareia» (Ave Maria) erhalten.

Das frühere Läuten am Morgen zur Ankündigung eines neuen Tages wurde seit Jahren in Andeer eingestellt.

Letztmals schwangen die drei alten Glocken am 13. Sept 1964 abends um 8 Uhr zum Abendgottesdienst. Die mittlere und die kleine Glocke wurden Anderntags zur Anpassung an die drei reuen Glocken nach Aarau versandt. Die alte, grosse Glocke fand einen Ehrenplatz auf dem Friedhof neben dem Kirchturm. Die drei neuen Glocken tragen die Inschriften:

«Jou send igl A ad igl 0.», «0 teara, teara, tearla igl pled digl Segner” und ”Vegliad ad urad.»

Das Wappen von Andeer prangt auf der neuen Glocke. Eine Tafel an der Kirchenmauer beim Turm gibt Auskunft über Ton, Gewicht, Durchmesser, Jahr des Gusses und die Namen der Glockengiesser. [1]

Der festliche Aufzug der drei neuen und der zwei alten Glocken fand am 17. Dezember 1964 statt und ihre hehren Stimmen erklangen erstmals fünf Tage später durch unser Tal. [2]

Ein Kommentar zum neuen Geläute soll nicht vorenthalten werden: «Es freut den Unterzeichneten tief, der so herrlich gelegenen und so prächtig renovierten Kirche von Andeer, deren auf Fels gegründeter markanter Turm ihn schon in frühester Jugend mächtig beeindruckt hat, ein gefreutes Geläute übergeben zu dürfen. Dass die beiden altehrwürdigen Glocken von 1489 und 1648 erhalten werden konnten und weiterhin zum Lobe Gottes erklingen dürfen, ist besonders erfreulich. Mögen sie nun im Verein mit ihren drei neuen Schwestern der werten Einwohnerschaft von Andeer viel Freude bereiten und vielen Generationen zum Segen dienen. Die Gemeinde Andeer besitzt damit in ihren beiden Kirchen mit 8 Glocken ein überaus reichhaltiges, melodisches Glockenspiel.» [3]

  1. Die neuen Glocken stammen von der bekannten Glockengiesserei H. Rüetschi AG in Aarau.
  2. Bereits einmal früher wurden die Glocken aus ihrer luftigen Behausung heruntergelassen. Im Jahre 1771, als Johann Conrad Dorfmeister war. Dies geschah, um neue Glockenstühle zu zimmern und die Glocken wurden ein Viertel um ihre Längsachse gedreht. Dadurch wurde das Anschlagen der Klöppel an der bisherigen Stelle des Glockenrandes vermieden.
  3. Einem Schreiben von Glockenberater W. Joos, Kilchberg, entnommen, der sowohl der evangelischen wie auch der katholischen Kirche sein grosses Können zur Verfügung stellte.