Die Einwohnerschaft

Zufallsbild: Einwohner
Schulkameraden von Gieri Ragaz

Aus weit zurückliegenden Epochen ist uns über Vor- und Familiennamen nicht allzu viel Überliefert. Erst im Laufe der letzten Zeiten sind mehr Zeugen vorhanden, wie etwa Urkunden, Briefe, Hausinschriften, Eintragungen in Familienbibeln und dergleichen. [1] Die Namenverzeichnisse der Dorfmeister, der Ortspfarrer, der eingekauften Nachpuren usw. vermitteln manchen nützlichen Hinweis. Von Bedeutung sind die Kirchen- oder Pfrundbücher. Es sind dies die Vorgänger der Zivilstandsregister. Jeder Pfarrer war angehalten in seinem Kirchsprengel, auch etwa «Kirchhörig» (plev) bezeichnet, die Geburten, Eheschliessungen und Todesfälle in einem besonderen Buche einzutragen.

Das erste Register dieser Art in Andeer geht auf das Jahr 1734 zurück. Es steht daselbst vermerkt:

«Taufbuch der Kirchhörig zu Andeer in Schams gekauft und verehrt von Ihrer Weisheit Junker Landammann Johann Vinzens Fagineo, höchster Kirchenvogt.»

Der damals amtierende Pfarrer Matli Conrad, der ältere, [2] beginnt seine Eintragungen mit folgenden Worten:

«Dieweil ich bei Antritt meines Kirchenamtes allhier zu Andeer kein Taufbuch in dem Pfrundhaus angetroffen, so habe ich in Gottes Namen selber den Anfang machen wollen und hierin annotiert die Eheleute, welche copuliert, die Kinder, welche getauft und die Abgestorbenen während meines Dienstes.

Der Höchste gebe die Gnade und alle die hier eingezeichnet werden auch in dem Buch des Lebens geschrieben sein.»

Dieses älteste Buch umfasst die Zeitspanne von 1734 bis 1828. Es ist zwar recht mangelhaft geführt, aber trotzdem aufschlussreich. Ein besonderer Nachteil ist der, dass bis zum Jahre 1782 die Gemeinden Andeer und Pignia im gleichen Buche zusammengefasst werden und keine Bemerkung kundtut, auf welche der beiden Gemeinden die einzelnen Eintragungen sich beziehen.

Einst waren folgende Familien hier beheimatet, bzw. sind es noch: Joos, Pitschen, Russ, Nicca, Cantieni, Grischott, Pedrett, Fravi, Basset, Conrad, Fimian, Vinzens, Ragaz, Salis, Menn, Marchion, Catrina, Sep, Risch, Cajöri, Antieni, Melchior, Mani, Cloetta, Janjöri, Clopath, Bieler Cagiut, Cadosi, Camartin, Briner, Bandli, Hoessli usw. Die heutigen Träger der Namen Clopath, Cadosi, Nicca und Mani sind aber nicht Nachkommen der oben angeführten Bürger, sondern stammen von späteren Zuzügern aus Schams ab.

Von ausserhalb des Tales stammende Geschlechter, die aber bei uns erloschen sind, waren: Scheier, Bärtsch, Meuli, Wieland, Hunger, Trinket, Kieni, Dettli, Reiter, Zisli, Prader und noch andere mehr.

Das zweite Kirchenbuch, angelegt von 1828 bis 1877, ist weit übersichtlicher geführt als das erste, weist aber auch Lücken auf. Es tauchen in der angeführten Zeitspanne neue Namen auf wie: Lutta, Simonett, Engi, Gartmann, Suter, Morcher, Schumacher, Guler, Coray, Marugg, Binder, Steiner, Pisenti, Putscher, Tester, Fintschi, Rostetter, usw.

Von den alteingesessenen Familien waren während vielen Jahren die Joos, Pedrett und Pitschen am zahlreichsten vertreten. Sie waren Eigentümer einer ganzen Reihe von Häusern und ihr Einfluss im Dorfgeschehen war beträchtlich. Dies trifft vor allem für die Pitschen zu. Es kommt nicht von ungefähr, dass dies wie folgt vermerkt wird:

«Als Johann Pitschen Dorfmeister war, wurde die Kirche erbaut», «Als Nikolaus Pitschen Dorfmeister war, wurde 1838 der Dorfbrunnen renoviert,» «Als Paulus Pitschen Dorfmeister war, baute die Gemeinde das neue Schulhaus im Jahre 1848.»

Im elfköpfigen Gemeindevorstand sassen im Jahre 1843 gleich drei Vertreter des Geschlechtes Pitschen und von 1803 bis 1809 amteten ebenfalls drei Pitschen nacheinander als Dorfmeister. Diese Familie stellte neben Dorfmeistern auch Kirchenvorsteher, Landammänner, Podestaten, Amänner und Landschreiber.

Bemerkenswert ist die vielseitige Tätigkeit, die einzelne Männer dieser Familie in der Landwirtschaft, aber auch auf anderen Gebieten entfalteten. Einige waren Färber, andere Handelsleute. Die Brauerei in «Rùncs» gehörte Pitschens und ebenso das Gasthaus «Zum Weissen Kreuz» (Crusch Alva). Schliesslich war es Christian Pitschen, der anfangs des Jahrhunderts mit seinen Söhnen in mühsamer Handarbeit die Galerie zum Rheinfall in der Roflaschlucht öffnete. Vor 200 Jahren italienisierten die Pitschen ihren romanischen Namen in Piccoli. Im Volksmund blieb aber der ursprüngliche Name weiterhin bestehen. Heute ist kein männlicher Vertreter dieses Geschlechtes mehr in Andeer sesshaft.

Von den von auswärts Zugewanderten waren besonders die Scheier, Lehner, Reiter und Yategast und ihre Nachkommen sehr lange in Andeer zu Hause, wo sie sich auch einbürgerten. Aber heute sind sie, wie so viele andere, aus dem Dorfbild entwichen. Ja, Geschlechter kommen und verschwinden, aber irgendwann, irgendwo und irgendwie waren sie alle am Dorfgeschehen beteiligt.

  1. Oft lassen sich Familiennamen von Flurnamen ableiten aber auch das Umgekehrte kommt vor. Der Name Mangossus (Domenicus Mangossus) dürfte auf das Wiesengelände jenseits des Rheins, heute «Pro Mangisch» genannt, übertragen worden sein. Im 16. Jh. gab es die Familie «Luzera».

    Ob nun der Hügel «Bot Luzera» der genannten Familie zu ihrem Namen verhalf oder umgekehrt, wird schwerlich nachweisbar sein. In der «Veia Filistinra» lebte ein Mann namens Simon Grischott, welcher «igl Filistiner» genannt wurde. Auch hier ist es fraglich, wer den Namen «Filistiner» zuerst bekam.

  2. Pfarrer Matli Conrad, der ältere, war der Onkel von Pfarrer Matli Conrad, dem jüngeren.