Schulausflüge

Der Schulausflug, Albert Anker

Es mag vielfach die irrige Meinung vorherrschen, dass Schulreisen eine Erscheinung unserer Zeit seien. Die Schulratsprotokolle des 19. Jahrhunderts belehren uns eines anderen:

«Die ganze Schule wanderte am 21. März 1829, an einem Markttag, nach Thusis. Abends 9 Uhr kehrten alle wieder ins Dorf zurück».

Am 3. März 1830 wird von einer Wanderung der ganzen Dorfschule nach Splügen berichtet. Eingekehrt wird im Gasthaus «Pratigiana». Abends 8 Uhr zieht die Reisegesellschaft wieder in Andeer ein.

Für diese, nur einen Tag dauernden Ausflüge wurden hin und wieder auch Wagen oder öfters Schlitten zur Verfügung gestellt, sodass wenigstens ein Weg gefahren werden konnte. In einem Protokoll der Schule ist zu lesen:

«In Anbetracht, dass vom Neujahrssingen noch Fr. 50 übriggeblieben sind und 5 Pferde gratis zur Verfügung gestellt werden, wird eine Ausfahrt nach Thusis beschlossen allerdings nur für die letzten Klassen».

Der bereits mehrere Male genannte Chronist Donatus Joos, in den Jahren 1866/68 als Lehrer in Andeer tätig, hatte einen Sommerkurs eingeführt, an dem gegen 20 Kinder teilnahmen. Er berichtet:

«Hie und da machte ich zuweilen in Begleitung von Erwachsenen einen Ausflug mit meinen Kleinen. An romantischen Stellen und schönen Aussichtspunkten fehlt es in Schams nicht. Nebst einer Menge von Berghöhen sind auch die Bärenburg und die Ruine Castelatsch oder Cagliatscha sehr schöne Zielpunkte zu Spaziergängen. Lehrreich war immer ein Gang zum Hüttenwerk im Ferreratal. Als wir einmal die Silberstampfe und -wäsche uns angesehen hatten und eben im Begriffe waren, den steilen Bergweg hinan zur Grube zu gehen, rollte auf dem vom jenseitigen Bergfelsen zur Hütte herunter gespannten armdicken Drahtseil der Erzkarren daher. Schnell besonnen sprach mein begleitender Nachbar und Freund: «Recht so, werfen wir uns nun hinein und lassen wir uns hinaufziehen, dass wir in wenigen Minuten droben seien und den halbstündigen, schweren Weg ersparen.» Mich zum Aufseher wendend, der den Karren zu leeren befahl, äusserte ich in fragendem Tone: «So was sollte erlaubt sein?» Ohne sich umzusehen antwortete er: «Hm, erlaubt, es hat schon mancher sich hinaufziehen lassen, meinetwegen können Sie’s auch tun. Für alle Fälle müssen aber Sie die Verantwortung auf sich nehmen. Ich schwankte. Zur schnellen Entscheidung gedrängt, sagte ich ein – Nein -, und der Deckel wurde zugeklappt und der Karren ohne uns aufgezogen. Noch ehe mein Freund fertig war, mir Mutlosigkeit und was weiss ich was noch vorzuwerfen, so mussten wir sehen, dass die Lastkabine auf etwa ¾ ihres. Weges (nach meinem Dafürhalten über 160 m hoch) in der Luft schwebend, stecken blieb.

Kaum oben auf dem Felsen angekommen, erfuhren wir, dass etwas in der Dreheinrichtung gebrochen sei. Ein paar Tage vergingen bis die Sache wieder in Ordnung war und die Schwebebahn ihren Betrieb aufnehmen konnte.

Der schönste Ausflug war nach Mutten. Der Weg ist zwar sehr mühsam, sodass der beim Abmarsch angehobene Jubel der Kinder bald verstummte und manches Auge in Tränen badete. Wie bald war aber aller Strapaz zehnmal vergessen und welche Ausgelassenheit nahm überhand, als wir auf der luftigen Höhe anlangten und wie von den Wolken herunter das herrliche Domleschg mit allen seinen Burgen, Schlössern und Dörfern betrachten konnten.»