Kinderfeste

Eine Neuerung des 19. Jahrhunderts, die sich bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg hinüberrettete, waren die Kinderfeste. Dem Gesang in den Schulen, also dem Volksgesang, wurde immer grössere Beachtung zuteil. Was lag da näher, als hin und wieder im Frühjahr vor Schulschluss an einem günstig gelegenen Orte alle Schulen des Tales zu einem schönen Feste zu versammeln, damit jede ihre Gesangskünste zum Besten geben konnte.

Das erste derartige Treffen fand meines Wissens 1857 statt. Über jenes vom Jahre 1872 sind wir bestens im Bilde. Es fand in der «Val da Bogn», unterhalb von Pignia statt, in einer windgeschützten Mulde. An die 300 Schüler aller Altersstufen waren dabei und dazu noch ein grosses Volk aus allen Dörfern des Tales. Zunächst wurde gemeinsam gesungen, dann folgten Ansprachen durch die Pfarrer von Andeer und Zillis. Auch Schulinspektor Florian Cajöri von Andeer richtete einige besinnliche Worte an die Anwesenden.

Die Reihenfolge der Gesangsvorträge der Schüler wurde durch das Los entschieden und lautete: Andeer – Pignia – Donath – Patzen/Fardün – Zillis – Innerferrera – Ausserferrera – Lohn – und zuletzt Mathon. (Rongellen war nicht dabei.)

Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass in jenem Jahre noch neun Dörfer unseres Tales eigene Schulen hatten, mit Rongellen waren es sogar zehn. Hingegen waren die Schulen von Clugin und Reischen wohl eingegangen.

Das Fest im Bad kostete jedem Schüler 20 Rappen. Die Verpflegung brachte jeder selbst mit. Damit niemand verdursten musste, bekam jeder Schüler – man höre und staune – ein Mass Wein.

In Deutschland war ein Mass früher 1,069 Liter, heute genau 1 Liter, in der Schweiz war ein Mass (Pot) = 0.0015m3 = 1,5l

Auf jeden Fall gab es Wein, ob die Menge so korrekt wiedergegeben wurde und ob der Wein, wie heutiger, 13% hatte oder ob er etwas verdünnt war, wissen wir nicht.

Anscheinend sind aber alle wohlbehalten nach Hause gelangt. Der Protokollführer kann sich allerdings einer Bemerkung nicht enthalten, wenn er schreibt:

«Jede Schule ist abends zufrieden mit ihrem Fähnlein nach Hause zurückgekehrt, wobei etwa «Fähnlein» nicht im übertragenen Sinne zu verstehen ist.»

Die Realschule von Andeer, die am besten abgeschnitten hatte, erhielt als Aufmunterung zu weiterem löblichem Tun ein Abendessen von der Gemeinde spendiert im, Hotel «Sonne» bei Nicca.

Im Jahre 1884 fand ein weiteres Schulfest in Zillis statt. Erstmals beteiligten sich daran auch die Gesangschöre der Erwachsenen und die beiden Blasmusiken von Andeer und Donath. Pfarrer und Lehrer – ein gutes Dutzend – zu einem Männerchor vereint, erfreuten ebenfalls mit ihren Darbietungen die Zuhörer.

Lehrer Johannes Joos und Frau Betti Riederer

Ein ähnliches und gut gelungenes Fest von Lehrer Johannes Joos im Auftrage der Lehrerkonferenz Schams durchgeführt – fällt in das Jahr 1898. Derartige Veranstaltungen gab es noch verschiedene Male und das ganze Schamservolk war von solchen Treffen in freier Natur begeistert. Heute gehören sie der Geschichte an. Eine Wiederbelebung dieser Veranstaltungen wäre jedoch sehr zu begrüssen und würde bestimmt bei der Bevölkerung Anklang finden.