Die Mineralquelle «Funtàna Nera»

Von der Geschichte des Dorfes Andeer der letzten 160 Jahre ist die Mineralquelle nicht wegzudenken.

Nachweislich wurde dieses Mineralwasser schon seit Jahrhunderten zu Badezwecken genutzt. Ursprünglich mag die Badestube oben in der Nähe der Quelle gestanden haben. Der dortige Heu- und Viehstall mit seinen massiven Mauern könnte die Badestube gewesen sein. Hierfür sprechen auch die für einen Stall ungewöhnlichen Masse des Grundrisses. Bei der Instandstellung des Stalles vor rund 40 Jahren kam beim Abklopfen des Mörtels links neben der heutigen Tür des Viehstalles ein zugemauerter, bogenförmiger Toreingang zum Vorschein. Daraus lässt sich ableiten, dass das Gebäude eine andere Bestimmung hatte als heute. Auch die Benennung «Bogn» (Bad) bezieht sich nicht nur auf die an der Landstrasse erbauten Häuser, sondern auch auf den weiter oben auf einer Terrasse erbauten Stall nebst Umschwung und Quelle.

Angeblich erwarb im Jahre 1827 Frau Landammann Julia Fravi die Mineralquelle, die auf Gebiet der Gemeinde Pignia entspringt, für 1200 Gulden. Ihr Ehemann Kaspar Fravi der Eigentümer des Gasthauses zur «Krone» (la Cruna) und sein Sohn Jakob (später Leutnant Fravi genannt) leiteten das Wasser der Heilquelle 1828/29 zu ihrer kleinen Badestube nach Andeer. Es war dies ein beachtliches Unterfangen und auch ein Wagnis. Damit war der Grundstein für Andeer als Badekurort gelegt. Die «Krone» war damals das einzige ansprechende Gasthaus in unserem Dorfe. An dieses angebaut wurde dann ein gediegener Landgasthof, welcher den Namen «Krone» vom früheren Wirtshaus übernahm.

Die erste Leitung bestand aus Holzröhren(Teucheln), die oberirdisch verlegt waren. Diese Art der Zuleitung bewährte sich aus verschiedenen Gründen nicht. Eine später aus Gussröhren im Boden verlegte Anlage brachte dann ein befriedigendes Resultat. [1] Über der Quellfassung war ein hübscher, kleiner Pavillon aufgestellt.

Das Hotel Fravi und das Bad, das noch in einiger Entfernung vom Hotel steht. ~1830

Es war die Zeit angebrochen, da die Badeorte hoch im Kurs standen und sie waren es, welche die ersten Feriengäste aus aller Herrenwelt in unsere Gegenden herbeilockten. Es ist deshalb wohl begreiflich, dass auch Andeer fleissig besucht wurde. Die ganze Dorfbevölkerung bewunderte die vielen reichen und vornehmen Fremden, die hier Erholung suchten. Da war z.B. eine sehr begüterte, illustre Dame namens Baronin von Deichmann, die mit Verwalter, Dienerschaft und mit eigenen Kutschen und Pferden sich einquartierte. Sie war es, die den hölzernen Anbau an der Nordseite des Hotels erstellen liess. Erst beim Umbau des Hotel Fravi 1970 wurde er entfernt. Nebenbei bemerkt betrug gemäss einem Inserat anno 1873 der Pensionspreis pro Person und Tag vier Franken.

1968 musste der Badebetrieb vorüberhegend eingestellt werden, weil die Gebäude und Einrichtungen nicht mehr zeitgemäss waren. Andeer galt nun nicht mehr als Badekurort. Zwei hölzerne Bad Zuber auf der Hotelterrasse erinnern noch an die alten Zeiten.

Über die Vorzüge des hiesigen Mineralwassers wird berichtet:

«Die Ansicht des grossen Dorfes Andeer mit der höher gelegenen Kirche mit lebhaftem Verkehr, auch als Poststation. Die vorzügliche Eisenquelle von Pignia ist hierher geleitet und wird getrunken und zu Bädern benutzt. Die günstige Wirkung bei Hautkrankheiten, Schwächezuständen, Nierenübeln, rheumatischen und gichtischen Leiden etc. wurde vielfach gerühmt. Der abgesetzte Eisenschlamm wird jetzt auch zur Zubereitung von Moorbädern verwendet. Die Heilerfolge der Trink- und Badekur sind aber zugleich dem herrlichen Klima zuzuschreiben.» [2]

Seit vielen Jahren steht beim Hotel Fravi ein kleiner Brunnen mit zwei Becken, die aus zwei Brunnenröhren gespiesen werden. Aus dem einen fliesst übliches Quellwasser aus dem anderen das rötliche Mineralwasser.

Dr. Fravi auf der Quelle bei Piginia

Durch den Stollenbau der Kraftwerke wurde die Mineralquelle in Mitleidenschaft gezogen, sodass ihre Wasserführung geschwächt wurde. Anscheinend ist aber doch noch genügend Wasser vorhanden, 1978 wurde ein Initiativkomitee gegründet, mit dem Ziel, den Badebetrieb neu erstehen zu lassen und die Heilbad Andeer AG ins Leben gerufen. Im Oktober 1980 begannen die Bauarbeiten und knapp zwei Jahre später konnten diese abgeschlossen werden. Die Gemeinde Andeer übernahm einen erheblichen Teil der Finanzierung.

Die Wassertemperatur im grossen Bassin beträgt nun 34 Grad und jedermann kann nun mit oder ohne ärztliche Verordnung im Mineralwasser baden. An den Badebetrieb angeschlossen wurde eine moderne Therapieabteilung, in der nun mehrere Physiotherapeuten die Gäste betreuen.

Aus der Terra Grischuna vom 5/88 kann das heutige Therapieangebot entnommen werden:

«Heilgymnastik, Massagen, Bewegungsbad, Unterwassermassagen, Saunas, Elektrotherapie, Warme und kalte Wickel/Fango, Kneipp-Behandlungen, Stangerbad und Solarium.

Die Frequenzen des Bades und des Therapiezentrums sind steigend und Andeer als Badkurort wieder ein Begriff.

Die Architektur des Bades ist ansprechend und fügt sich mit dem renovierten Hotel Fravi sehr gut ins Dorfbild».

  1. Dr. Christoph Simonett, Zillis, hat eine aufschlussreiche Darstellung des einstigen Badebetriebes im alten Gast- und Badehaus an der Landstrasse im «Bogn» veröffentlicht. Die Frage, ob die frühere Badestube oben bei der Quelle zu vermuten sei, wurde vom Verfasser zwar erörtert aber nicht eingehender untersucht. (Vergl. «Bündner Monatsblatt» 1953, Nr. 2/3. «Die Erbschaft um das Bad in Pignia 1621-1680»)
  2. E. Lechner «Thusis und die Hinterrhein Täler»