Der Mühle- und Sägebach «Rùncs»

Mühlsteine

Keines der bisher genannten Gewässer erlangte die Bedeutung desjenigen von Rùncs. Dieser künstlich angelegte Bachlauf befindet sich auf der linken Rheinseite, also abseits der geschlossenen Dorfsiedlung. Er wird ebenfalls vom Rhein abgeleitet und nebenbei bemerkt ist er auch der einzige seiner Art im ganzen Tale, der noch munter durch die Fluren fliesst. Erwähnung findet der Bach von «Rùncs», auch etwa «Ual da Promangisch», genannt, bereits in Urkunden des sechzehnten. Jahrhunderts. Von den ältesten Einrichtungen, die an seinen Ufern gestanden haben, sind wenige, spärliche Überreste noch vorhanden. [1]

Unterhalb der kleinen, steinernen Brücke (Punt pintga) treffen wir seine unterste Gefällstufe an. Von alters her war hier eine Säge, heute die Sägerei Mani. Diese wie auch Bretterkanal und Wasserrad sind zwar noch vorhanden, haben aber ausgedient und sind am Verlottern. Das Wasserrad übertrug die notwendige Kraft für die Säge und die angebaute mechanische Schreinerei. [2]

Das Wasserrad der Sägerei Mani, Aufnahme ca. 1950.

Bachaufwärts in unmittelbarer Nähe stand früher eine Kundenmühle mit Gerstenstampfe, Wohnung und Stall. Einige Überreste der Grundmauern sind noch erkennbar. Die noch vor etlichen Jahren dort liegenden Mühlsteine wurden zu anderen Zwecken verwendet.

Die einstigen Müller galten als wohlhabend, ja reich. Der letzte Spross der Familie führte einen bequemen und aufwendigen Lebenswandel und verkaufte, schliesslich verarmt, die Gebäude, 1/5 der Rechte am Bach sowie das: Grundstück (pro Mulegn) an die Gemeinde. Die Wiese wurde in den 1970er Jahren als Kinderspielplatz eingerichtet und erfreut sich regen Zuspruchs.

Die Silberschmelze ca 1920

In geringer Entfernung der beschriebenen Mühle wurde vor mehr als hundert Jahren eine kleine Silberschmelze erstellt. Sie gehörte der englischen Gesellschaft «Val Sassam Mining Ltd. Co», die Erzvorkommen im Schams in den Jahren 1864 bis 70 ausbeutete, allerdings mit geringem Erfolg. Diese Anlage am Bach «Rùncs» soll nie richtig gearbeitet haben und wurde nach kurzer Zeit aufgegeben. Obwohl der Säge- und Mühlebach bei der erwähnten Silberschmelze nur ein geringes Gefälle aufweist genügte sogar ein von diesem abgezweigten kleinen Nebenarm ein unterschlächtiges Wasserrad zu drehen, dessen Aufgabe es war, einen Blasebalg zu bedienen. Den Eingang zur kleinen Schmelzhütte schmückten zwei kreuzweise skizzierte Bergwerkshämmer und die Inschrift «Glück auf zur Schmelzhütte».

Während vielen Jahren verwendete die Gemeinde diese kleine, gut gemauerte ehemalige Schmelzhütte als ihr Brettermagazin. Unverständlicherweise wurde das Gebäude in den 1930er Jahren geschleift. Von den ursprünglichen Einrichtungen der Schmelze war längst nichts mehr vorhanden.

Auf dem gleichen Areal aber in nördlicher Richtung stand das der englischen Firma gehörende Haus mit Labor- und Lagerräumen. Grundmauern sind noch erkennbar. Teilweise zerstört wurde es durch einen Brand bereits im Jahre 1868.

Die genannten Gebäude oder genauer gesagt die Ruinen derselben übten eine seltsame Anziehungskraft auf uns Knaben aus. Vor allem wurde der geheimnisvolle Rauchabzug oder Ventilationsgang des Schmelzofens ein dunkler, unterirdischer Gang gerne durchkrochen, obwohl dies verboten war.

Auf der gleichen Höhe wie der Schmelzofen, aber auf der gegenüberliegenden Seite des Baches, standen eine Walke und eine Färberei. Der Lärm der Walke wirkte für die Eigentümer und Gäste der damaligen «Pension Beverin» («Mulegn»), störend. Die Walke wurde deshalb, nach Abfindung des Eigentümers, nach Clugin versetzt, wo sie lange als kleiner Stadel zu sehen und als «Fola» bekannt war.

Die Färberei Pitschen links im Bild

Was die Färberei anbetrifft, war diese wohl Eigentum eines Nicolaus Pitschen. Dieser verunglückte im Sommer 1752 tödlich beim Führen von Bergheu. [3] Ob sein kleines Unternehmen mit seinem Tode einging, ist nicht überliefert. Eine Färberei benötigt bekanntlich viel Wasser. Der Standort am Mühlebach war somit ideal. Das Gebäude steht noch heute und wurde vor Jahren als Doppelgarage hergerichtet.

Bachaufwärts etwa 150 m entfernt ist die erste und zugleich bedeutendste Gefällstufe des Baches. Dort erweckt dem Vorübergehenden der Gebäudekomplex (Mulegn, gebaut in den Jahren 1838 bis 1841) seine Aufmerksamkeit. Seit Jahrhunderten hatten Mühlen und Sägen hier ihren Standort.

Das Gebäude diente diversen Funktionen, vor allem aber als Mühle, Teigwarenfabrik und Pferdestall. Nachdem 1882 der Gotthardtunnel eröffnet worden war, wurden kaum noch Pferde für den Transit gebraucht und auch der Müllereibetrieb wurde 1887 im Hauptgebäude eingestellt. Verblieben ist jedoch die Bezeichnung «Mulegn» (Mühle) für die Gebäulichkeiten und die dortige Gegend. Näheres über die Geschichte dieses vielseitigen Betriebes wird im Abschnitt «Einige prominente Männer, Philip Hoessli, ein Unternehmer von Format», zu lesen sein.

Die Mühle am Anfang des 20. Jahrhunderts

Oberhalb der erwähnten Gefällstufe war am Bache eine Walke (Filzmühle) aufgestellt, die Jakob Manzoni gehörte. Da der Wasserlauf an jener Stelle nicht beschleunigt werden, konnte, erzeugte er nicht genügend Energie, um das Wasserrad der Walke kräftig genug zu drehen.

Zu den längst verschwundenen Betrieben in «Mulegn» und «Rùncs» ist noch eine kleine Bierbrauerei aufzuführen. Sie stand abseits des Baches und war nicht auf Kraftgewinnung aus dem Bach angewiesen. Hingegen mag das reichlich fliessende ausgezeichnete Quellwasser der «Cutschalèra» für die Wahl des Standortes ausschlaggebend gewesen sein. Eigentümerin der Bierbrauerei. war die Familie Pitschen. Die Stiftung kath. Glaubensgenossen erwarb die Brauerei samt Umschwung. Daselbst wurde ihre erste Kirche seit der Reformation in Schams gebaut. [4]

  1. Erst kürzlich wurde mir von Herrn Jürg Simonett, wissenschaftlicher Assistent des Rätischen Museums, die Kopie eines Stiches zugestellt, welcher mit Erlaubnis des Eigentümers des Stiches, Herr J. P. Weingart wiedergegeben wurde. Es handelt sich um eine Knochenmühle oder genauer gesagt um eine Knochenstanze, deren schwere Stössel die Knochen zermalmten und granulierten. Die Benennung Mühle statt Stanze oder Stampfe war üblich. Die besagte Knochenmühle stand wohl am Bache «Runcs» hinter dem Doppelhaus Mulegn, wo spärliche Überreste eines kleinen Gebäudes erhalten geblieben sind.
  2. Seit mehreren Generationen ist die Familie Mani Eigentümerin der Werkstatt mit Säge. Frühere Eigentümer der Säge waren Joos und Fimian.
  3. Obwohl Nicolaus Pitschen in Andeer wohnhaft war – er hinterliess zwei Söhne und zwei Töchter – wurde sein Ableben nicht im Kirchenbuch von Andeer vermerkt, sondern in demjenigen von Donath. Dies kann nur so erklärt werden, dass der Pfarrer von Donath und nicht derjenige von Andeer die Abdankung vornahm und deshalb die Eintragung in Donath erfolgte. In einem längeren Gedichte fand der erwähnte Unglücksfall gebührende Würdigung «Üna Canzun da malecurada sur la mort da Statthalter Nicolaus Pitschen.»
  4. Näheres Darüber im Kapitel: «Religion und Kirchen»