Die Andeerer waren tanz- aber auch gesangsfreudige Leute. In früheren Zeiten wurde die Hausmusik fleissig gepflegt. Den Ausführungen von Pfarrer Matli Conrad ist zu entnehmen, dass zu seinen Lebzeiten die schulentlassenen Mädchen sehr oft an Sonn- und Feiertagen auf Plätzen und Strassen Kirchenlieder zum Besten gaben. Das Geigenspiel war ehedem viel populärer als heute. Es wird erzählt, dass die Brüder Pedrett von Bärenburg herunterkamen und auf dem «Plaz de la Resgia» an Sonntagen aufspielten. In Ferrera war das Geigenspielen derart populär, dass sich in jedem Hause wenigstens eine Violine vorfand.
Es war auch üblich, dass sich die Familie beim Abendläuten in der Stube versammelte und Choräle von Conr. Riola und Matli Conrad sangen. Säumige Kinder, die lieber auf den Gassen herumlungerten, wurden von den älteren Geschwistern oder anderen Hausgenossen recht unsanft nach Hause befördert.
Die Knabenschaft war es, die die Einwohner mit ihren Liedervorträgen am Silvesterabend erfreute. Im Protokoll dieser Gesellschaft von 1829 steht vermerkt, man wolle am Altjahrabend wieder singen wie von alters her. Gesungen wurde vor jedem Hause und anschliessend eine milde Gabe erbeten. Das gesammelte Geld diente anderntags zur Berappung eines gemeinsamen Essens. Hierzu wurden dann auch die Mädchen eingeladen und der Gedanke wurde laut eigentlich sollten auch diese inskünftig zum Mitsingen eingeladen werden. Auf diese Weise entstand der erste Singverein bestehend aus jungen, ledigen Leuten beiderlei Geschlechts. Es ist somit das Verdienst der Knabenschaft, den ersten Gemischten-Chor gegründet zu haben.
Was das Altjahrsingen anbetrifft ist dieses noch bis dato üblich, wobei die Sekundarschule am Nachmittag, der Gemischte Chor und der Männerchor abends die Runde machen und ihre Weisen vortragen.
Einstens gern gesungene Lieder – aus den Gesangsbüchern von Joh. C. Bachofen und Joh. Schmidlin- waren folgende: «Mein Jesus A und 0», «Das alte Jahr geht nun zu Ende», «Man wünschet gute Zeiten» u.a.m. Heutzutage ertönen meist andere Lieder darunter auch Romanische wie «Igl ei puspei vargau egn on».
Ohne etwelche Überheblichkeit zu begehen, darf gesagt werden, dass sowohl der Gemischte Chor wie auch der etwas später gegründete Männerchor, schon im 19. Jahrhundert einen guten Namen hatten. Beide Vereine haben während ihrer langen Wirkungszeit für manchen gemütlichen und erbaulichen Anlass gesorgt. Die Familienabende jeweils am Ostermontag oft vom Männerchor bestritten, gehörten zur Überlieferung und erfreuten sich einer regen Besucherzahl. Die Darbietungen waren in der Hauptsache auf Romanisch.
Noch einige Worte über die Anschaffung der ersten Fahne. Es war im Jahre 1887 als der Männerchor sich im Maria-Stiftskloster Altstätten eine Fahne anfertigen liess. Kostenpunkt 350 Franken. Die Fahne trug aber entgegen genauem Beschluss der Mitglieder die Bezeichnung «Sängerchor» statt «Männerchor». Die Empörung war derart gross, dass die Auflösung des Vereins zu befürchten war. Diejenigen, die den Auftrag zur Ausführung der Fahne erteilt hatten, suchten sich mit der Behauptung aus der Patsche zu ziehen, der Fehler sei versehentlich in Altstätten passiert. Diese Darstellung nahm niemand ab und der Verdacht verdichtete sich, dass die Anschrift «Sängerchor» geflissentlich angeordnet worden war, damit die Fahne auch dem Gemischten Chor dienen könne. Tatsächlich ist es dann auch so geschehen, bis der letztgenannte anno 1968 seine eigene Fahne erwarb.
In Andeer wurden mehrmals Gesangsfeste durchgeführt. Zwar der erste dieser Art dürfte in Zillis anno 1856 gewesen sein. In unserem Dorfe fanden Sängertreffen in den Jahren 1882, 1910, 1928, 1934 und 1961 statt. Das Fest im Jahre 1934 war ein Sängertag, während die übrigen Bezirkssängerfeste waren. Am Sängertag nahmen 13 Chöre und ein Jodler Trio aus dem Avers Teil.
Im Programm des XIV Bezirksgesangsfestes vom 24. April 1910 kann gelesen werden, dass sich aus Schams folgende Gesangsvereine beteiligten: Gemischter Chor Andeer, Frauenchor Andeer, Gemischter Chor Zillis-Donath, Töchterchor Zillis-Donath, Männerchor Lohn, Männerchor Zillis-Donath. Auch das Avers stellte einen Männerchor. Von Splügen kamen drei Chöre und von Sufers ein Frauenchor. Der Männerchor Andeer dürfte wohl der ausführende Verein des Anlasses gewesen sein. Dreizehn weitere Teilnehmerchöre waren von ausserhalb der Viamala.