Wie anderswo war auch bei unseren Vorfahren der Aberglaube und die Angst vor Geistern, Hexen und Zauberern sehr verbreitet. Als verrufen galten auf Gebiet der Gemeinde Andeer oder in nächster Nähe derselben die Örtlichkeiten «Pro Larm», «Pessen», «Cagliatscha», «Magun» und «Dros».
«Pessen» ist ein mit Stauden und Gestrüpp bewachsenes Geröll- und Weideareal, welches früher vom Saumpfad durchquert wurde. Auch die Landstrasse führt durch dieses Gebiet.
Den üblen Ruf verdankte die Gegend wohl dem Umstand, dass die Richtstätte vom Schams – ein Ort des Grauens und des Schreckens in unmittelbarer Nähe des «Pessen» auf der Anhöhe über Zillis gewesen war.
Hinrichtungen – namentlich während der Zeit der unseligen Hexenverfolgungen – durch Ertränken, Köpfen oder Verbrennen waren nicht selten. Aus Prozessakten geht hervor, dass der «Pessen», «Plan Cagliatscha» und «Magun» als Treffpunkte der nächtlichen Hexentänze (barlots) angegeben werden. [1]
Auch das Totenvolk (stgaleras) war im «Pessen» des Öfteren gesichtet worden.
Von «Pro Larm» hiess es, dass ein Mann mit einem weinenden Kind dort sein Unwesen treibe, welches in jener Gegend ermordet worden sei.
Das Maiensäss «Dros» wurde zur mitternächtlichen Stunde von einem Schimmelreiter heimgesucht. Knechte, die dort zur Besorgung des Viehs angestellt waren, schliefen nicht in der Maiensäss Hütte, sondern suchten anderswo Unterschlupf. In jungen Jahren war auch mein Grossvater Gion Janett in «Dros». Eines Abends – es war noch hell und die Arbeit getan – streckte er sich auf dem Bette aus, schlief ein und erwachte erst bei stockfinsterer Nacht, als die Uhr zwölf schlug. Stuben- und Hüttentüre standen weit offen. Er fasste Mut, trat ins Freie und stellte fest, dass nichts Aussergewöhnliches zu sehen noch zu hören war. Von da an nächtigte er patschific in «Dros». Der Eigentümer des schönen Maiensässes war über die Erlösung desselben vom Schimmelreiter so sehr erfreut, dass er meinem Grossvater die dortige alte Stubenuhr schenkte.
Bekanntlich gab es auch wohlgesinnte oder zumindest harmlose Wesen. Solche waren die Waldfeen. Wo diese hausten, besagt der Name «Fistatg da las Trioltas». (Waldschneise der Feen)
Auch in Andeer war einst ein «Kindlistein» (Crap Gaglegna genannt) (eigentlich «Caglegna») Unter diesem lagen die noch ungeborenen Kinder verborgen. Im Jahre 1945 wurde dieser denkwürdige Felsblock zur Gewinnung von Granit gesprengt.
Von den Kindern gefürchtet waren der «Buzibau» (Buzen) und die «Mama da Ragn» (eine Rheinnixe). Im Keller des Schulhauses fristete der «Asen cun gutas» sein Dasein. Schülern, die nicht folgten, wurde gedroht, dass sie zur Strafe auf den mit Nägeln gespickten Esel reiten müssten.
- Hans Ardüser berichtet in seiner Chronik, dass 1598 Christian Flipp aus Splügen im Schams enthauptet und seine Frau im Rheinwald ertränkt worden sei. Beide wegen Hexerei. Im Schams seien zwei weitere Frauen im gleichen Jahre des Hexenwerks wegen ertränkt worden. ↑