Die alte Viehversicherung

Die erste Versicherung dieser Art auf freiwilliger Basis geht auf das Jahr 1831 zurück. [1]

In Andeer, wie auch anderswo, waren meist nicht die eigentlichen Landwirte, sondern die Dorfgeistlichen, die auf eine Besserstellung des Bauernstandes bedacht waren. Sie waren volksverbunden und trieben nebenamtlich auch selbst Landwirtschaft. Mit den Freuden und Nöten der Bauern waren sie bestens vertraut. Besonders die Namen der Pfarrer Matli Conrad sowie der beiden Lutta, Vater und Sohn, verdienen genannt zu werden.

Pfarrer Matli Conrad der jüngere verteidigte mit Nachdruck, dass es nicht Gottes Wille sein könne, des Sonntagsfriedens wegen, alle Feldarbeiten ruhen zu lassen, wenn schlechte Witterungsverhältnisse die Ernte bedrohten. Zu einer Zeit, da noch ein strenger kirchlicher Geist herrschte, war die Stellungnahme von Pfarrer Conrad durchaus etwas Ungewohntes.

Pfarrer Julius Lutta, Vater, aus dem Bauerndorf Flond stammend, war der Gründer der ersten Viehversicherung, welche erst 1900, also nach vollen 57 Jahren, durch die allgemein verbindliche Versicherung abgelöst wurde. [2]

Aus den Aufzeichnungen dieser ersten Versicherung geht hervor, dass sie sorgfältig geführt wurde und das Bestreben vorherrschte, eine gesunde Grundlage aufzubauen. [3]

Die Haltung des Zuchtstiers, die bisher zum Aufgabenkreis des Dorfmeisters gehörte, übernahm die Genossenschaft. Das Sprunggeld wurde auf 85 Rappen festgesetzt. Gemäss Statuten war jedes Mitglied der «Rodt» zur Wartung des Zuchtstieres verpflichtet. Als jedoch der Herr Pfarrer an die Reihe kam, wurde er grosszügig davon entlastet.

Ein bedauerlicher Unfall mit Todesfolge ereignete sich am 12. April 1882. Der Bauer Christian Pedrett führte den Stier der Genossenschaft zur Stierenschau. Das ansonsten zahme Stier scheute auf dem Rückweg beim Anblick eines mit bunten Bändern geschmückten Gefährts und riss seinen Halter so unglücklich zu Boden, dass dieser sich das Genick brach. Der Stier hatte den Verunfallten nicht angegriffen, sondern ihm beim Zurückschrecken zu Fall gebracht. [4]

  1. Es gibt Gemeinden im Kanton, von denen jede für sich in Anspruch nimmt, die erste Viehversicherung errichtet zu haben, obwohl die Gründung viel später als in Andeer erfolgte. Ob nun Andeer wie bei uns angenommen wird – tatsächlich die erste ihrer Art im Kanton. hatte, ist möglich. Das frühe Gründungsjahr lässt den Schluss zu, dass Andeer auf dem Gebiete des Viehversicherungswesens bahnbrechend gewesen war.Die Versicherung zählte anfänglich wenige Mitglieder aus den Dörfern Andeer und Pignia. Bald stieg ihre Zahl auf 45.
  2. Ob Pfarrer Lutta auch bei der Gründung der Sennerei die Hand im Spiel hatte, ist aus den Unterlagen nicht zu entnehmen.
  3. Die auf Deutsch geführten Protokolle gebrauchen manche recht altertümlich anmutende Bezeichnung z.B. junge Kuh = «Färse» und junger Stier = «Farre».
  4. Christian Pedrett war der Grossvater unserer langjährigen und beliebten Schullehrerin Julia Hoessli-Pedrett.