Gegen diese uralte Einrichtung wurde vor bald zweihundert Jahren Sturm gelaufen und führte schliesslich im Laufe der Zeit fast überall zur Beseitigung derselben. Von den Gegnern wurden nur die Nachteile hochgespielt, während die Vorteile verschwiegen wurden. Ja, die Gemeinatzung galt bei vielen als der grösste Hemmschuh für die Entwicklung der Landwirtschaft.
Nun was bedeutet «Gemeinatzung» im früheren Sinne? Klein- und Grossvieh darf sowohl im Frühjahr wie im Herbst im Einklang mit den jeweiligen Dorfsatzungen frei auf allen Heimgütern der Gemeinde weiden. Ausgenommen hievon sind nur diejenigen Güter, die von der Gemeinatzung ausgekauft und eingefriedet wurden.
Auch in unserem Dorfe regten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Geister und brachten es fertig, dass durch Gemeindebeschluss vom 18.März 1818 der freie Weidegang abgeschafft wurde. Es hat aber den Anschein, dass diesem Verbot nicht nachgelebt wurde. Schliesslich trug eine vernünftige Abmachung zur Beruhigung der Gemüter bei. Im bisherigen Sinne blieb die Gemeinatzung für das Kleinvieh bestehen. Das Grossvieh durfte nur noch im Herbst frei weiden. Die Gegner dieser Ordnung versuchten immer wieder, dieselbe zu beseitigen. Anno 1889 wurde eine Abstimmung für die Abschaffung der Atzung knapp mit 24 ja gegen 26 nein verworfen. Wegen der Gemeinatzung gab es stetsfort Geplänkel. [1]
Nach Abschluss der Güterzusammenlegung 1979 wurde die Gemeinatzung für das Grossvieh aufgehoben, während die Schafe sowohl im Frühjahr wie im Herbst, sich noch kurze Zeit, frei auf den Fluren tummeln können. Es würde aber der Wirklichkeit widersprechen, wenn für die angeführte Änderung die «Güterzusammenlegung» verantwortlich gemacht würde. Die Gemeinatzung war schon seit Jahren zur Farce geworden.
Grössere Parzellen wurden schon vor Beginn der Atzung abgeweidet, was dem Sinn derselben widerspricht. Eine Verkürzung der freien Weidezeit wurde sodann dadurch erzwungen, indem mit der maschinellen Herbstdüngung immer grössere Flächen in aller Eile behandelt und dem Weidegang entzogen wurden.
Auch der allgemein zunehmende motorisierte Verkehr war der Gemeinatzung abträglich. Die meisten Feldtore wurden entfernt oder offengelassen, was das Ausscheren des weidenden Viehs nach allen Richtungen ermöglichte.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich niemand tatkräftig für den Weiterbestand der Gemeinatzung einsetzte. Ein uraltes, sinnreiches, bäuerliches Nutzungsrecht ist für immer verloren gegangen. [2]
- Um dem Gemeindebeschluss von 1818 mehr Nachachtung zu verschaffen, liess Leutnant Jakob Fravi sein Wiesengelände «Tranter Flimma Sut» mit einer soliden Mauer einfassen. In der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Gemeinde obsiegte diese. Das Urteil lautet: Die Mauer kann bestehen bleiben, während der Atzungszeit muss aber dem Vieh der freie Zutritt gewährleistet werden. Auch das Durchgangsrecht für Fussgänger zum Schulhaus bestehe zu Recht. Früheres «Durchfahrtsrecht» war schon 1571 gerichtlich bestätigt worden, als der damalige Eigentümer Jan Butschet mit seiner Klage unterlag. «Die bestehende Lücke besteht zu Recht und die Gemeinde kann durch diese Langholz führen» lautet das Urteil. ↑
- Seit alters her jedenfalls aber seit 1632 war das Düngen der Wiesen im Herbst sieben Tage nach Atzungsbeginn untersagt. Angesichts der früheren langsamen Düngungsmethoden und weil oft auch erst im Frühjahr gedüngt wurde, konnte die Herbstatzung beinahe ungehindert bis in den Spätherbst oder bis zum Wintereinbruch ausgeübt werden.
Nachlässig wurde der Einzug der Gebühren für den Loskauf aus der Atzung seitens der Gemeinde getätigt. Einzelne brachten es sogar fertig, sich jeglicher Zahlung zu entziehen. ↑