In fremden Kriegsdiensten

Das Reislaufen war in früheren Zeiten allgemein üblich. Die Familien waren kinderreich und den heranwachsenden Söhnen blieb oft keine andere Wahl, als sich als Söldner anwerben zu lassen.

Reisläufer

Wie viele aus unserem Dorfe unter fremden Fahnen Soldatendienst geleistet haben, wird kaum feststellbar sein. Sogenannte «Brevets», Briefe und Bemerkungen in den Registern der Kirche enthalten hin und wieder diesbezügliche Andeutungen.

Von den Schamsern wurde die Anwerbung in holländischen, französischen und neapolitanischen Diensten bevorzugt.

Im Jahre 1785 verfasste der damalige Schulmeister Martin Basset von Andeer ein 24 Strophen zählendes Gedicht betitelt: «Ina biala canzùn da diesch cumpogns, ch’ein is or da Andeer ils 21 da schaner 1785.» (Ein schönes Lied über zehn junge Männer, die am 21. Januar 1785 Andeer verlassen haben).

Gewidmet hat der Verfasser sein bescheidenes literarisches Werk seiner Base Fida Basset. [1]

Zusammengefasst erläutert das Gedicht, wie Wachtmeister Tester in Andeer als Werber tätig gewesen sei. Dabei wird lobend hervorgehoben, dass derselbe die angeworbenen Männer zuvorkommend behandelt habe und bei Schneider Tumasch Lehner ihre Kleider in Ordnung bringen liess.

Die Namen der zehn Soldaten sind:

  • Martin Hasset, Lehrer und Verfasser des Gedichtes
  • Murezi Joos
  • Christoffel Marchion Catrina
  • Christian Grischott
  • Battista Grischott
  • Georg Donath Cloetta (diese alle waren von Andeer)
  • Joos Rostetter
  • Andreas Rostetter (zwei Brüder von Ausserferrera)
  • Christian Buchli (aus dem Safiental)
  • Hans Bläsi (von Valendas)

Die beiden letztgenannten mögen auch in Andeer gewohnt haben. Was jedoch Wachtmeister Tester anbetrifft, war dieser wahrscheinlich ein Safier. Im Kirchenbuch von Andeer wird er nicht aufgeführt.

Die zukünftigen Soldaten werden für vier Jahre angeworben, wie dies allgemein üblich war. Alle hegen die Hoffnung, nach Ablauf ihrer Dienstzeit, wieder wohlbehalten Heimatboden betreten zu können.

Das Abschiednehmen fällt allen schwer und gemäss alter Sitte wird an jeder Stubentüre angeklopft. Auch in Pignia und Zillis werden beim Durchmarsch Bekannte und Verwandte nicht vergessen. Der Wachtmeister zeigt sich gut gelaunt und spendet an beiden Orten noch einen Abschiedstrunk.

Die Reise nach Holland erfolgte zu Fuss und dauerte vier Wochen. Das Endziel war Maastricht (Mastrich) die Hauptstadt der Provinz Limburg. Zur damaligen Zeit war Maastricht eine Garnisonsstadt mit grossen Kasernen und weitgezogenen Befestigungsanlagen, wo gar viele Schweizer und Bündner Militärdienst leisteten.

Die zehn Männer aus Andeer waren für das Regiment Schmid unter Hauptmann Pitschen angeworben worden. Ob Pitschen ein Landsmann aus Schams war, wird nicht gesagt. Auf alle Fälle fanden die Neuankömmlinge manchen Bekannten aus der fernen Heimat vor, was ihnen das Soldatenleben erträglicher gemacht haben mag.

Über das weitere Schicksal der Söldner schweigt sich das Gedicht aus. Eintragungen im Kirchenbuch von Andeer bezeugen, dass vier von ihnen wieder zurückkehrten. Andreas Rostetter hingegen ist laut Vermerk im Kirchenbuch von Ausserferrera im Alter von 23 Jahren, im Jahre 1789, in holländischen Diensten gestorben und gemäss Regimentsordnung begraben worden.

Von den vier zurückgekehrten aus Andeer, nämlich Martin Basset, Battista Grischott, Christoffel Marchion Catrina und Joos Rostetter erreichte nur letztgenannter ein gewisses Alter. Die zwei zuerst aufgeführten starben noch nicht 40-jährig und Catrina verschied bereits im Dezember 1789, also kurz nach seiner Entlassung im Alter von nur 28 Jahren. Gewiss eine eher traurige Bilanz.

Als die Kriegsdienste, wegen schlechter Behandlung, Vorenthaltung des Soldes, mangelhafter Ernährung und Bekleidung sowie ungenügender Ausrüstung und der immer mehr Tote fordernden Schlachten immer mehr in Verruf gerieten, mussten zur Zeit Napoleons Zwangsrekrutierungen vorgenommen werden. Der Gemeinde Andeer gelang es folgende Männer anzuwerben: [2]

NameJahrgangAlter
Christian Bärtsch181036
Josef Cadosi181322
Moritz Fravi181332
Johann Grischott181340
Christ Janjöri181036
Carl August Müller181324
Christian Cantieni180816
Jos Loringett180819

Von diesen acht Soldaten waren sechs Schamser und die restlichen Auswärtige. Über ihr Schicksal kann nichts gesagt werden.

Im Jahre 1831 hatte die Gemeinde wieder Soldaten zu stellen, diesmal gleich elf. Die Anwerbung war zeitraubend, schwierig und teuer. Um die Unkosten zu decken, liess die Gemeinde einen grösseren Holzschlag bei Bärenburg durchführen, der nebst einem Ertrag von 700 Gulden auch eine geharnischte Beschwerde der Bärenburger an die Regierung zur Folge hatte, da durch den Raubbau am Wald ihre ganze Siedlung durch Rüfen und Steinschlag gefährdet werde.

  1. Veröffentlicht auch in der rätoromanischen Chrestomathie von. Dr. C. Decurtins. Bd. II u. III Nr. 103. und auch im Kalender «Per Mintga Gi» 1950. Im Abschnitt dieses Buches unter dem Titel «Prosa und Gedichte verschiedenen Inhalts» erfolgt die Wiedergabe nach einer Handschrift in meinem Besitze.

  2. Vergl. O. Pfister. Annalas der S. R. R. Bd. 37 und 38. «Ils Grischuns sut Napoleon Bonaparte.»