Die Alp Albin/Andies

Ihre Weidefläche beträgt mehr als 700 Hektaren, wovon der grössere Teil auf Gebiet der Gemeinde Ausserferrera liegt. Des Weiteren gehören zu dieser Alp rund 18 Hektaren Wald. «Albin/Andies» (Lambegn/Landies) gilt als eine der besten Alpen weit und breit.

Die Alp Albin von der gegenüberliegenden Talseite gesehen.

Im Jahre 1321 verlieh Donath von Vaz den Bauern von Andeer, Clugin, Vaz, Cazis und Sufers die halbe Alp zu einem Zinslehen. Die andere Hälfte der Alp gehörte dem Domkapitel. Diesen Teil hatten die Panigada und Fadius zu Erblehen. Die Alp «Albin» war also schon damals in zwei und später in vier Senntümer (Stafeln) geteilt.

Aus dem Jahre 1565 stammt das noch gut erhaltene Alp Rodel (regulativ alpester), welches die Namen der Weideeigentümer und der Alpmeister (tgea tigias) aufzählt. Spätere Eintragungen gehen auf die Jahre 1587, 1600/1601 und 1625 bis 1783 zurück. [1]

Im genannten Rodel werden auf Gebiet der heutigen Alp «Albin/Andies» die vier Alpen aufgeführt, die wie folgt voneinander unterschieden werden:

Mittlere Hütte, eigentlich Obere Hütte
Untere Hütte
Überz’Wasser (auch «Valgranda» und später «Alp Tobel» bezeichnet)
«In Dies» (im Rücken daraus wurde später «Andies»
Rechts im Bilde obere und untere Alphütte von Albin und links die Alpställe.

Alle diese Alpen waren gleichzeitig Kuh- und Galtvieh Alpen. Im Rodel von 1587 wird die Zahl der Alpeigentümer (Weidenbesitzer) wie folgt angegeben: 27 Alpweidenbesitzer (padriangs) in der mittleren Hütte, 25 in der unteren Hütte, 8 in der Alp Valgranda (auch «Alp Tobel» genannt) und schliesslich 6 in Andies.

In früheren Zeiten mögen in der Hauptsache Schamser alle vier Alpen besessen haben, aber immer häufiger werden Namen von Teilhabern aufgeführt, die ausserhalb unseres Tales wohnen. Es waren dies vornehmlich Thusner, später dann mehr Maseiner und Silser. Vereinfacht können die Mitgliedsverhältnisse vor hundert Jahren so umschrieben werden: In der oberen und unteren Hütte waren Schamser, meist Andeerer Herr und Meister. In den Alpen Andies und Tobel hatten Maseiner, Thusner und Silser das Sagen. [2]

Streit und Hader zwischen den Alpeigentümern, aber auch dem Alppersonal der vier Alpen, waren keine Seltenheit und führten oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Anno 1533 klagt die Alpgenossenschaft Albin gegen Leute von Ferrera-Cresta. Auch mit den Bauern der Maiensässe «Bagnusch» gab es Reibereien, weil diese angeblich vor der Alpladung des Öfteren mit ihrem Vieh die Alp Weide nutzten.

Im Jahre 1725 am 12. Juni erschienen in Zillis vor Josef Cadosi, dem damaligen Landammann des Schams, Amann Jöri, Schreiber von Thusis, Matheus Florin von Masein, als Hüttenmeister der zwei Alpen Andies und Tobel. Durch ihren Fürsprech, Landammann Johann Vincenz Fagineus, führten sie Klage gegen die Hüttenmeister der Alp Albin, nämlich Anton Molitor und Christoffel Pedrett, beide von Andeer.

Die Klage lautete: Es sei von alters her vereinbart worden, dass alle drei Alpen (Albin mit zwei Stafeln, Andies und Tobel) am gleichen Tage zu bestossen seien, dass man das Vieh gemeinsam weiden lasse, obwohl jede Alp ihre eigene Weide habe. Nun würden die von Albin seit Jahr und Tag ihre Alp überladen. Am Tage der Alpladung seien die Alpmeister von Albin verpflichtet ein genaues Verzeichnis der zu alpender Tiere den Alpmeistern der beiden andern Alpen auszuhändigen, was jedoch unterblieben sei. Des Weiteren werde der zur Alp gehörende Wald durch die von Albin übernutzt, sodass bald kein Holz mehr vorhanden sei.

Die Hüttenmeister von Albin und ihr Fürsprech Amann Esaias Calger bestreiten die Anschuldigungen der Gegenparteien. Sie hätten genau nach der Zahl der Alpweiden geladen.

Das Urteil lautet: Auf die Anschuldigungen wegen Überladung kann nicht eingetreten werden, weil anscheinend beide Parteien des öfters überladen hätten. In Zukunft soll ein gegenseitiges Kontrollrecht ausgeübt werden können. Den Wald haben beide Parteien zu schirmen und schonen.

Diese häufigen «Händel» wegen Waldnutzung, Überladung, Weid- und Schneefluchtrechten führten zu einer Neuordnung.

Im Jahre 1883 erfolgte die Zusammenlegung der drei Alpen «Albin», «Tobel» und «Andies».

Die kleine Alp «Tobel» wurde dabei aufgehoben und ihr Areal der nunmehrigen Galtvieh Alp «Andies» zugeteilt, mit Ausnahme der «Val Granda», die der Kuhalp «Albin» zugesprochen wurde. «Andies» bildet seither mit «Albin» eine Alp unter der Bezeichnung Alp «Albin/Andies». Die Kuhalp «Albin» verblieb aber weiterhin geteilt in zwei Stafeln, die obere und untere Hütte genannt. Andies seinerseits wurde eine reine Galtviehalp.

Vor dieser Neuordnung zählte «Albin» (beide Stafel) 227 Alprechte oder Weiden, «Tobel» und «Andies» deren 134½, also zusammen 361½, wie heute noch. Dazu kamen noch 20 so genannte «Hüttenweiden», die den beiden Genossenschaften und nicht Privaten gehörten. Eine Ausscheidung der Weiden zwischen «Albin» und «Andies» ist jetzt nicht mehr möglich. [3]

Die Neuordnung hatte auch zur Folge, dass die beiden Stafeln von Albin nicht mehr vorwiegend den Andeerern gehörten, wie bis dahin. Die oberen Hütten erhielten die Eigentümer von Alprechten, die innerhalb der Viamala Wohnsitz hatten und die untere, jene, die ausserhalb lebten. Die getrennte Bewirtschaftung in zwei Senntümern blieb weiterhin bestehen. [4]

Zweifelsohne brachte die eben beschriebene Regelung mancherlei Vorteile für alle Beteiligten. Unbefriedigend war vor allem die Beibehaltung des Zweistafelbetriebes auf «Albin». Sodann waren die Eigentümer der beiden Alpen «Tobel» und «Andies» die eigentlichen Nutzniesser der getroffenen Änderungen. Dieser Umstand verursachte den meisten Bauern von Andeer, Ärger und Unbehagen und dies obwohl die eigentlichen Rädelsführer Andeerer waren, welche die beschriebene Lösung durchgesetzt hatten. Es wird wohl mit Recht betont, dass diese wenigen Befürworter Weidrechte auch in den Alpen «Tobel» und «Andies» besassen und durch den Zusammenschluss wurden ihre Rechte gewaltig aufgebessert. Die beiden kleinen Alpen bzw. ihre Eigentümer bezahlten pro forma und als Ausgleich den Betrag von 350 Franken an die Alpgenossenschaft von Albin, eine Summe, die sogar für damalige Verhältnisse viel zu tief angesetzt war.

Die Beendigung des Zweistafelbetriebes auf «Albin», der seit Jahrhunderten bestanden hatte, erfolgte im Jahre 1945. Die Vereinigung der beiden Senntümer bedeutete eine Vereinfachung in jeder Beziehung.

Im Laufe der Jahre wurden manche Verbesserungen an Schermen, Hütten und Käsereieinrichtungen getroffen. Auch ein neuer Alpweg wurde angelegt. Das Melken der Kühe geschieht maschinell. Umfassende Erneuerungen an den Gebäuden und Einrichtungen fanden auch wieder neuerdings statt. Die Einweihungsfeier war im Sommer 1984.

Die Bestossung mit Kühen ist rückläufig und liegt oft unter hundert Stück. Der Auftrieb mit Kälbern und Zeitkühen ist jedoch ausgelastet. Seit 1960 werden die Mesen (zweijährige Rinder) auf der Alp «Durnan» gesommert.

Kurzes Video aufgenommen auf der Alp Albin in den 1950er Jahren.

Wie die Alpen im Allgemeinen hat auch die Alpgenossenschaft «Albin/Andies» mit Problemen zu kämpfen. Einmal sind es finanzielle Belastungen aller Art, anderseits ist es heute im Alpwesen schwieriger geworden, erfahrenes Personal zu finden. Früher stammten die meisten Sennen und Hirten aus der Gegend und waren oft Jahrzehnte auf der gleichen Alp tätig.

Tani Bärtsch von Andeer amtete als Senn beispielsweise 19 Sommer auf «Albin» und 22 auf «Durnan».

  1. Maul und Klauenseuche waren auch früher bekannte und gefürchtete Viehkrankheiten. Hans Ardüser in seiner Chronik berichtet, dass 1611 200 Stück Vieh auf Albin erkrankt seien und dass der Ertrag an Molken ein sehr schlechter gewesen sei.
  2. Im Rodel von 1565 werden folgende Namen als Alpteilhaber -wohl die meisten aus Schams– – aufgeführt: Catrina, Cajöri, Dulf, Dulfet, Florin, Fravi, Grischott, Marchion, Mazolt, Tschuor, Clauanschutti, Fimian, Pedrett, Risch, Anrisch, Basett, Bartaun, Bistiaun, Buschet, Barlag, Caduro, da Canal, de la Guota, Kaspar, Jerones, Josch, Linardt, Luzera, Lung, Men, Resga, Tumaisch, Zep (Sepp) und Zigga. Namen aus deutschsprachigem Gebiet sind hingegen: Schmid, Heinz, Kessler, Amann, Wolf, Schumacher, Gerber, Halder etc.Im «Neuen Sammler» «Beschreibung des Schamsertales 1808 von Pfarrer Matli Conrad steht zu lesen: «Die Alp Tobel weist 30 Kuhrechte auf, die den Maseinern gehören, Andies hat 80 Kuhrechte, die in Händen der Silser liegen, während Albin(obere und untere Hütte) meistenteils Eigentum der Andeerer ist.» Diese Angaben sind in Bezug auf die Eigentums-Verhältnisse nicht genau.
  3. Die Alp «Andies» besitzt Unterkünfte für die Hirten im «Tarvantastg», im «Wasserboden» und in «Andies». Von den früheren Alpschermen sowohl in «Andies» wie «Tobel» sind noch Mauerreste vorhanden.
  4. Die beiden Hütten von «Albin», oder jedenfalls mit Sicherheit die Obere Hütte, wurde gemäss Inschrift im Jahre 1867 neu erbaut, als Leonhard Ragaz, mein Grossvater, Alpmeister der oberen Hütte war.