Der Erwerb des Bürgerrechts

Ursprünglich, als Schams eine Einheitsgemeinde formte, gab es das Landschaftsbürgerrecht und über die Aufnahme eines Gesuchstellers in dasselbe entschied die Landsgemeinde. Deshalb hätten nur Leute, die sich über das Landschaftsbürgerrecht ausweisen konnten, zusätzlich das Ortsbürgerrecht einer Nachbarschaft erwerben dürfen. Aber diese gebärdeten sich immer eigenmächtiger und tätigten Einbürgerungen ohne Rücksicht auf die Landschaft. Dadurch wurden unklare Verhältnisse geschaffen.

Die Aufnahme ins Bürgerrecht der Gemeinde (Nachbarschaft) erfolgte oft recht willkürlich und die Einkaufssumme richtete sich meist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bewerbers. Wohlhabende Interessenten konnten recht gründlich zur Kasse gebeten werden. Ausser der Einkaufssumme wurden Zugaben in Form von Wein oder sogar eines feudalen Gastmahles ausbedungen.

Hin und wieder wurden auch Dienstleistungen als Entgelt für die Aufnahme ins Bürgerrecht verlangt. So erwarb im Jahre 1675 ein gewisser Jöri Jategast das Bürgerrecht und musste hierfür ein Jahr lang den Nachtwächterdienst ausführen. Anscheinend war niemand im Dorfe bereit, dieses Amt zu übernehmen.

«Seine Weisheit und Excellenz» Antonius de Schorsch erbrachte, um Andeerer zu werden, nebst den üblichen Nebenleistungen pro Bürgerstimme, zwei Philippi (vier Gulden). Daraus ist zu entnehmen, dass der Bewerber sehr gut betucht gewesen sein muss.

Die Spende von Wein war von beachtlicher Bedeutung. Ein Gesuchsteller, der für seinen Einkauf 1’100 Franken und ein Saum Wein anbot, wurde erst berücksichtigt, nachdem er sich bereit erklärte noch zusätzliche 100 Franken zu bezahlen und statt nur ein Saum Wein, gleich zwei offerierte.

Einmal hatte die Versammlung der Nachbarn zu entscheiden, ob ein etwas zwielichtiger Bewerber würdig sei, Andeerer zu werden. Die Meinungen waren geteilt und es setzte ein endloses Gerangel ein, bis sich der Landschreiber zu Wort meldete und erklärte:

«Ich glaube, wir sollten ihn nehmen. Ist er gut, können wir ihn brauchen, wenn nicht, passt er zu allen andern!»

Seit über hundert Jahren tätigte die Bürgergemeinde Andeer eher wenige Einbürgerungen und dies aus allzu bekannten Gründen. Diese vorsichtige Einstellung hatte aber zur Folge, dass der Anteil der Ortsbürger, gemessen an der Gesamtzahl der Einwohner, rückläufig war. Im Jahre 1844 waren beispielsweise von 9 Konfirmanden deren 8 Bürger und nur einer Beisäss, heute würde man Niedergelassener sagen. 1862 waren hingegen von 14 Konfirmanden nur mehr die Hälfte davon Ortsbürger und 1873 von 18 Konfirmanden nur noch 4.

Doch zurück zu den Einbürgerungspraktiken. Eine Gemeinde, die sich abkapselt, bleibt nicht lebensfähig. Es ist deshalb ein Gebot der Zeit, die Aufnahme von Neubürgern etwas grosszügiger zu gestalten. Der erste Schritt in dieser Richtung wurde in unserem Dorfe anlässlich des Schamserfestes 1958 getan und allen niedergelassenen Schamserbürgern die Gelegenheit geboten, gegen eine geringe Gebühr, Andeerer zu werden. Von diesem Angebot wurde umfassend Gebrauch gemacht. [1]

  1. In den Jahren 1957/58 unterbreitete der Verfasser dieses Buches seinen beiden Kollegen im Bürgerrat, den Herren Hans Conrad und Daja Melchior den oben beschriebenen Vorschlag zur Einbürgerung der in Andeer ansässigen Schamserbürger. Bei den zwei genannten Vorstandsmitglieder fand er Verständnis und Unterstützung. Desgleichen war dann auch die Bürgergemeinde mehrheitlich dafür eingenommen.Es war zwar zu bedauern, dass der Kreis der Einbürgerungsberechtigten damals nicht weiter gefasst und auf alle hier ansässigen Schweizerbürger ausgedehnt werden konnte. Eine derartige Vorlage hätte aber das ganze Vorhaben zum Scheitern gebracht.